Pick of the week: "Wie man ein großartiger Fotograf wird"

Mein Pick für diese Woche ist ein kleines, rosa Büchlein "Wie man ein großartiger Fotograf wird" von Dr. Martina Mettner. Also nicht nur ein "guter Fotograf" oder ein "besserer Fotograf" - nein ein grossartiger!

 

Bei Amazon ist dieses Buch nur mehr über zwei Händler erhältlich und mit knapp 60€ auch kein Schnäppchen. Zumal das Buch nur 130 Seiten hat und typografisch leider ein Graus ist (auch die Umschlagsgestaltung ist bemerkenswert)

 

Tipp: Ich hab mir das Buch über die Büchereien Wien ausgeliehen - nachdem das Werk an einem Abend ausgelesen ist reicht das reicht völlig ;) 

 

Wie also wird man ein grossartiger und erfolgreicher Fotograf?

 

Die Zukunft der (kommerziellen) Fotografie

Geht es nach der Autorin, haben es Fotografen in Zukunft schwer. Die Ausrüstung wird immer besser, und sie wird immer erschwinglicher. Und: Wissen ist frei verfügbar - durch das Internet und Bücher kann jeder, der will, die Technik schnell beherrschen lernen. 

 

Die Entwicklung des Fotografen

Wenn sich aus dem Hobby Fotografie mehr entwickelt dann kann das in verschiedenen Stufen erfolgen:

  1. der Motivsucher: er fotografiert, was vor seine Linse kommt. Selten wird vor dem Foto ein besserer Standpunkt gesucht und es gibt auch keine Idee, die vor dem Foto da war. Fotografiert wird, was gefällt und pittoresk erscheint (siehe unten) Oftmals im Vollautomatik-Modus.
  2. der Experimentierer: er beherrscht die Technik grundsätzlich und experimentiert damit. Viel zu oft tut er dies aber zu lange und ohne Ziel. 
  3. der Bildgestalter: einfache formelle Bewertungskriterien (wie zB "Die Linie endet in der Ecke, es gibt Dreicke, die die Komposition bestimmen etc) hinaus und es geht ihm um Inhalte - rein formale Bilder sind langweilig. Ein Foto des Bildgestalters ist Nahrung für Auge und Kopf.

 

Sehr kritisch geht die Autorin dabei auf pittoreske Motive ein (alte Scheune, verlassene Züge etc). Diese Bilder sollte man einfach gar nicht machen. Keine Kuba- Märkte- oder alten Fabriken! Straßenmarkierungen abzulichten ist keine Leistung.

 

Dabei geht sie z. B. ziemlich hart mit George Barr ins Gericht:

In seinem Buch “Besser Fotografieren, Die hohe Schule der kreativen Fotografie”, empfiehlt George Barr, worauf man die Kamera richten sollte: “Das kann ein Bauernmarkt sein, eine alte leer stehende Fabrik, eine interessante Brücke, eine Schlucht, ein Feld, ein verlassener Bauernhof, eine Straße in einem exotischen Land oder ein Schrottplatz (Seite 65)”
— "Wie man ein großartiger Fotograf wird", von Dr. Martina Mettner, Seite 59

Ähnlich ergeht es Harald Mante:

Natürlich behaupten auch die Großmeister der Bildgestaltung stets, ihnen ginge es um die Inhalte. So schreibt Harald Mante auf siner Webseite - und das klingt alles völlig richtig: “Bildinhalte werden vom Betrachter vor allem nach ihrem Informationsgehalt und dem Interesse an dieser Information gemessen. Um zu guten Bildinhalten zu kommen, braucht es Erfahrung, den Zufall und/oder gute Konzepte mit kreativen Ideen...” Seine Fotos zeigen etwas ganz anderes: das Grafische anstelle des Fotografischen
— "Wie man ein großartiger Fotograf wird", von Dr. Martine Mettner, Seite 32

Also weg vom Grafischen! Weg von einfachen Aufnahmen mit möglichst geringer Schärfentiefe mit schönem Bokeh im Hintergrund. Und hin zu Inhalten.

 

So richtig diese Ansicht auch sein mag - der Stil ist mir persönlich zu hart und viel zu oberlehrerhaft. Es klingt, als ob Frau Mettner alleine die Weisheit mit Löffeln zu sich genommen hätte - was mich insofern erstaunt, da sie selbst den Motivsucher und Experimentierer beschreibt. Was liegt näher, als diese zwei als Entwicklungsstufen auf dem Weg zum besseren Fotografen zu sehen. Dies hilft, sich selbst einzuordnen und gibt auch schön eine Entwicklungsmöglichkeit vor ohne jemanden anzugreifen oder zu zerfetzen.

 

Um jetzt weg von simplen Urlaubsfotos mit pittoresken Sujets und sinnentleerten Fotos, die sich auf grafische Elemente und deren Komposition beschränken wegzukommen, schlägt die Autorin das Fotoprojekt vor.

 

Das Fotoprojekt

Man vermeidet das Sammeln von Fotos: sammeln kann man ewig - es hat kein Ende. Das Projekt hat ein Thema, es ist begrenzt (thematisch aber auch ev. durch die Zeit) und es erzwingt Entscheidungen (habe ich genug Fotos, fehlt mir noch ein Foto, wie kann ich mein Projekt präsentieren etc). Dabei reichen schon einfache Themen wie "Das Hotelpersonal vom Urlaubshotel" oder "Eine Serie von Portraits im Stil von Sally Mann".

 

Von zentraler Bedeutung ist die Recherche um ein Thema zu vertiefen. Eingehendes Informationssammeln zu dem gewählten Fotoprojekt wird die dabei entstehenden Fotos stark verändern. Und: das Thema sollte einen persönlich interessieren - nur dann enstehen auch interessante Fotos.

 

Ich finde den Vorschlag des Fotoprojektes richtig (schließlich ist ja die Prager Fotoschule genau auf dieser Linie). Wie man aber so ein Projekt für sich entdeckt, wie man es strukturiert und umsetzt - dazu finden sich sehr wenig Informationen. Hier hätte ich mir mehr gewünscht.

 

Die Zielgruppe des Buches

Generell war mir nicht klar, für wen dieses Buch geschrieben ist: es schwankt zwischen "weg vom Grafischen, hin zu Inhalten", über "achten sie auf helle Stellen beim Fotografieren" hin zu trivialen "Jede Form der übertrieben künstlicher Farbigkeit sieht amateurhaft aus". Einige Passagen wären daher aus meiner Sicht ersatzlos zu streichen und dem Buch würde nichts fehlen.

 

Die Bilder der Autorin selbst (davon gibt es viele im Buch) werden im Internet ziemlich kritisiert - aber es sind ja Bilder, die wichtig für Frau Mettner sind - keine inhaltslosen Urlaubsfotos. 

 

Fazit

Ich bin - wie auch die Reviews auf Amazon zeigen - hin- und hergerissen: die Anregungen für ein Fotoprojekt und was es bringt stehen leider in starkem Gegensatz zum oberlehrerhaften Ton und einiger thematisch unpassender Abschnitte, die das Buch inhaltlich verwässern. Ob es also wirklich ein "Pick" of the week ist - teilweise jedenfalls schon :)